Schreißheim

Leseprobe

Der Prolog

Vielleicht sollten Richter nicht jung sein. Sie sollten ein gewisses Lebensalter haben; um Urteile zu fällen darf nicht genügen, sämtliche Paragrafen zu kennen und diese zu deuten. Es sollte eine Kombination von Gesetz und Lebenserfahrung eine Rolle spielen dürfen. Warum? Viele Richter glauben, die Deutungshoheit zu haben über Gesetz und Paragraf. Nur: Es kommt oft vor, dass der süddeutsche Richter zu einem bestimmten Paragraf eine andere Deutung vorlegt als die norddeutsche Richterin. Nicht zu vergessen: Auch Richter sind Menschen. Alles ist bei allen Menschen durchgängig: Religiöse Ansichten, sadistische Züge, sexuelle Ausrichtungen, politische Einstellungen, einfach alles, was es im menschlichen Wesen gibt.
Oder glauben Sie, Richterinnen und Richter sind gefühlsneutral?

...

 

„Und? Was sagst du dazu?“, neugierig schaute Carl Becker ins Gesicht von Peter. Der machte einmal wieder auf Pokerface und schwieg zunächst.

    „Eigenartig, alles sehr eigenartig“, mehr war im Moment nicht zu hören. Becker schwieg ebenfalls, beide beschäftigten sich mit ihren Cocktails.

    Peter unterbrach das Schweigen: „Da ist übrigens Blue Curacao drin, siehst du das?“ Mit einem „Aha“ wurde die Information von Becker registriert.

    „Gut, ich erzähle dir jetzt eine Geschichte, als Freund erzähle ich dir das und du versprichst, es sofort wieder zu vergessen und niemals mehr zu erwähnen, ja?“ Becker nickte und brummte ein „ja klar“ dazu. Zunächst musste nochmals die Gazelle herkommen, wie Peter das schlanke, kakaobraune und bildhübsche Serviermädchen nannte, also sie musste nochmals zwei Cocktails bringen, was sie auch mit einem Curacao-Lächeln gerne machte. Peter Konzelmann klärte Carl Becker über die Hintergründe mancher Geschäfte von Graffenried auf.  Es gäbe in diesem riesigen Imperium Dinge, die manchmal von den üblichen Gepflogenheiten abweichen müssten. Die Konkurrenzunternehmen würden ähnlich verfahren, das wäre unter den Bossen bekannt und demnach auch nichts Neues oder Weltbewegendes. Natürlich würde alles juristisch ordentlich dargestellt, manchmal seien es bedauerlicherweise auch gefährliche Gratwanderungen. Allerdings ginge es schlussendlich immer um Geld. „Mit Geld kann man sich fast, allerdings nur fast, alles kaufen. Deshalb werden Menschen, die Entscheidungen treffen können, kraft Amtes, mit gewissen Geldsummen in eben ihrer Entscheidung mit Geld in die richtige Richtung gelenkt.“

    „Du meinst bestochen?“, unterbrach Carl seinen Freund.

    „Ein hartes Wort. Sagen wir, die bekommen eben ein Honorar für das, was sie tun“, mit unbewegter Miene dozierte Peter Konzelmann.

    „Dann kann man Gerechtigkeit auch kaufen?“, Carl schaute Peter in die Augen. Ein Auge zuckte kurz, er sagte: „Ich weiß, auf was du hinaus willst. Natürlich kann man Gerechtigkeit kaufen, Gerechtigkeit kann produziert werden durch das Recht. Das Zünglein an der Waage kann nach links oder nach rechts ausschlagen. Ein Rechtsanwalt kann nach dem einen oder nach dem anderen Paragrafen greifen, um eine Sache zu implantieren. Und der Richter kann das ebenso gut. Er kann eine Anklage teilweise abwehren oder umfunktionieren, er kann es auch bleiben lassen. Und wenn es gar hoch her geht, dann kann er die Klage auch total abweisen. Sei sicher, auch da finden sich ein Weg und ein Paragraf. Also, um deine Frage zu beantworten: Manche Richter nehmen schon gerne freundschaftlich etwas an, nicht nur Geld, vielleicht auch eine wertvolle Uhr, vielleicht auch eine Beförderung oder eine nette Urlaubsreise, warum denn nicht? Sie bringen schließlich auch Leistungen für das Geschenk. Nicht zu vergessen: Leistung heißt keinesfalls, dass sie etwas unrechtes tun, sie nehmen nur, sagen wir ein anderes Werkzeug zur Hand. Und aus einem Saulus kann dann ein Paulus werden. Hast du das alles verstanden?“, milde lächelnd schaute Peter seinen Freund an.

Der antwortete: „Verstanden habe ich das schon, aber begriffen habe ich es nicht. Im Grunde genommen ist das ja unglaublich…“, Peter unterbrach ihn, „es mag für dich unglaublich klingen, aber nehme einfach zur Kenntnis, dass es so ist. Und es ist nichts neues, es ist ein uraltes System. Ob es uns passt oder nicht. Wer nicht mitmacht, zieht eben den Kürzeren. So einfach ist die Welt.“

    Auf die Frage Beckers, was wohl Erich Leinenweber in diesem Karussell für eine Rolle spiele, wurde ihm von Peter genauestens erklärt, wie dieses System funktioniert. Graffenried wolle doch in den neuen Bundesländern ein riesiges Projekt starten – dazu seien die Grundstücksfragen und auch die Art der Bebauung immer noch nicht vollends geklärt. Da aber der Konzern, in dem Erich Leinenweber als Vorstand  mit unglaublichen Vollmachten agiert, im Teilbesitz dieses Areals sei, könne man da sehr viel bewegen. Wenn man wolle.        

    „Also, mein Lieber, was liegt näher, als dass man sich mit Erich Leinenweber arrangiert? Man macht ein freundschaftliches Geschäft miteinander, jedem ist dabei geholfen. Erich Leinenweber bekommt ein Vermittlungshonorar, das wird der Einfachheit halber hier in Curacao abgewickelt, es muss ja nicht jeder darüber Bescheid wissen. Manches ist wirklich ganz einfach: Leinenweber kauft die Blue Curacao Destillerie, Graffenried gibt das Geld, und Leinenweber integriert die Destillerie in seinen Konzern, mit anderen Worten: Er verkauft die Destillerie ganz offiziell und bekommt genauso offiziell den geforderten Betrag. Im Betrag sind natürlich die weltweiten Rechte, Namensrechte und Rezepturen enthalten. So, was willst du noch wissen?“, Peter machte eine Pause und Carl fragte nur: „Wie viel?“

    Peter antwortete genauso knapp: „Insgesamt 70 Millionen US-Dollar. Das ist nicht sehr viel für den Wert, den dieser Laden darstellt.

    „Und was ist mit der Versteuerung, das Finanzamt ist schließlich nicht blöd“, Carl Becker schaute fragend.

    „Das Geschäft wird nicht in Deutschland abgewickelt, also hat der Fiskus nicht seine Finger drin. Was später in Deutschland gemacht wird, ist völlig legal, sei sicher. Immerhin haben wir die Verträge sorgfältig gestaltet“, Peter lächelte versonnen, wahrscheinlich dachte er auch ein klein wenig an sein sicher nicht spärliches Honorar.

    Nach einer langen Schweigeminute fuhr Carl Becker fort: „Gut, das alles habe ich soweit begriffen, beurteilen kann ich es nicht. Aber wie will Graffenried behaupten, dass er den armen Mitarbeitenden der Destillerie geholfen hat?“

    „Ganz einfach, Richard Graffenried ist mit einer relativ kleinen Summe dabei, die spendiert er den Leuten. Es ist einfach ein Bröckchen von dem Vermittlungshonorar – sei sicher, es ist gut und ordentlich kalkuliert. Noch Fragen?“

...

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