Franz Mazura - Mit Tusche und Notenband

Leseprobe

Vorwort von Dr. Buderer:

Die Welt des Theaters, das ist das Feld, auf dem der international erfolgreiche Sängerdarsteller Franz Mazura jenen Persönlichkeiten begegnet, die er auf eine heiter ironische, oft auch kritisch satirische, doch immer freundschaftlich charmante Weise in seinen Karikaturen „mit spitzer Feder aufspießt“. Dabei sind es nicht die herausragenden Bühnenfiguren der großen Opern, Wotan, Lear, Moses, Dr. Schön …, mit denen er als Sänger Maßstäbe setzte, oder des Schauspiels – denn auch als Schauspieler (Shakespeare, King Lear, Stuttgart, 1990) hat Mazura höchste Beachtung gefunden -, mit denen er sich neben der darstellenden Kunst auch bildnerisch als Zeichner auseinandersetzt. Es sind vielmehr die Menschen, die das alltägliche Theatergeschehen bestimmen, die er in seinen Zeichnungen charakterisiert. Natürlich sind es zum einen die Künstlerkollegen, die berühmten und die weniger berühmten, aber, und vor allem diese, die Menschen, die nicht unbedingt im hellen Rampenlicht der Bühne stehen, sondern hinter den Kulissen wirken. Wo auch immer in der hierarchischen Struktur des Theaters positioniert, sind letztlich alle unentbehrlich in dem funktionierenden Gesamtgefüge, das den Glanz dieser Welt des Theaters überhaupt erst ermöglicht.

Mannheim und Bayreuth, das sind die beiden Quellen, aus denen Mazura auch als Karikaturenzeichner primär schöpft. Eine jahrzehntelange Verbundenheit mit dem Mannheimer Nationaltheater kommt hier zum Tragen, zu seiner künstlerischen Heimat und der Basis, von der aus er auf den großen Bühnen in der ganzen Welt gastierte und wohin er immer wieder in einer tief verwurzelten Verbundenheit zurückgekehrt ist. Die Sängerkolleginnen und –kollegen, z. B. Jean Cox („Ich habe mit ihm fast vierzig Jahre zusammen gesungen.“) und Ilse Köhler, werden ebenso „porträtiert“ wie die Intendanten, Arnold Petersen und Ulrich Schwab, die Generalmusikdirektoren, Jun Märkl z. B., der Inspizient Ernst Maschek oder der Studienleiter Hermann Emmerling ebenso wie die Souffleuse Gerda Liebold oder der Maskenbildner Karl Müller. Und auch Bayreuth, in dem Franz Mazura nach den Worten von Wolfgang Wagner nach wie vor zu den Rekordhaltern zählt, liefert dem Zeichner umfangreiches „Material“ für seine Arbeit als Karikaturist: Ewald Hilger, lange Jahre Präsident der Freunde und Förderer Bayreuths, oder Friedrich Werner und Karl-Friedrich Schleussner, beide Kuratoriumsmitglieder in diesem Bayreuther Kreis der Freunde und Förderer, oder Udo Metzner, Inspizient bei den Bayreuther Festspielen ….

„… das größte Goldstück, das es überhaupt gab.“ (Karl Krämer), „… einer der nettesten Menschen…“ (Walter Spagerer), „… mein ältester Bekannter und Freund hier in Mannheim.“ (Helmut Irion), die wenigen Beispiele der Charakterisierung der Dargestellten machen einen weiteren Aspekt deutlich, der die Betrachtung der Karikaturen des Franz Mazura zentral bestimmt. Es sind die Freunde, die er als Zeichner in den gestalterischen Blick nimmt, nicht nur bei den Kollegen, mit denen der Sänger-Darsteller auf der Bühne stand, oder den Menschen, die ihm hinter den Kulissen im bewegten Theateralltag begegneten und begegnen. Auch bei den Darstellungen der Persönlichkeiten aus dem gesellschaftlichen Umfeld des Künstlers, sei es aus dem Mannheimer Kreis - die Zugehörigkeit zu den „Räubern“ spielt hier eine zentrale Rolle, wie sie in der „Karikatur mit Selbstporträt“ des Räuberhauptmanns Alfred Bernauer erkennbar wird - oder sei es aus dem Bayreuther Umfeld, immer wird man den freundschaftlichen Bezug zu den Menschen spüren, selbst da, wo es sich um den ein oder anderen ganz Offiziellen aus Politik und Gesellschaft handelt.

Es geht da schon mal ganz deftig zu: „Leck mi am Orsch – Der Beste war der Völkers Schorsch!“ heißt es mit Blick auf die überzeugenden Beckmesser-Darstellungen des Georg Völker zu dessen 75. Geburtstag. Dem Spötter Mazura hilft das Vermögen des begabten Schauspielers, gut beobachten zu können. Der ironische Treffer basiert natürlich auf einem breiten Fundus an zum Teil durchaus hintergründigem Wissen, erworben über die Jahre hinweg, wenn zum Beispiel der Gerda Liebold im gerade nicht recht passenden Moment ein „Sch…. Theater“ entfährt oder – wie Mazura hier erzählt - Ernst Maschek in dem Glauben, er könne nach einer Lautsprecherdurchsage nicht mehr gehört werden, ein „… ihr A….löcher!“ vor sich hinbrummt und Mazura mit dieser Geschichte das Geheimnis lüftet, wie das Nationaltheater zur ersten Bandansage an seine Besucher kam. Der Schalkhaftigkeit des Karikaturisten dient natürlich auch der freundschaftliche Bezug zum Dargestellten. Da kennt man sich eben doch ein wenig besser und beobachtet sich wahrscheinlich auch ein wenig genauer. Gibt es da vielleicht so manche versteckte scherzhaft ironische Anspielung, die nur der Karikierte selbst voll und ganz versteht?

Der Spott will nicht verletzen. Die Charakterisierung richtet sich auf die Züge, die den Betroffenen oder die Betroffene eher von ihrer heiter charmanten Seite zeigen, eine Leidenschaft für das Kartenspiel bei Karl Müller zum Beispiel oder für den Fußball wie bei Walter Spagerer, zwei „Sportarten“, denen Franz Mazura selbst geradezu verfallen ist. Auch außergewöhnliche Fähigkeiten spricht der Zeichner Mazura an, hebt spezielle Begabungen hervor: zum Beispiel die Fähigkeit des damaligen Ersten Bürgermeisters für Kultur und Sport der Stadt Mannheim, Manfred David, vielfältige und sicherlich auch vielfach divergierende Interessen innerhalb seines Ressorts miteinander zu verbinden. So wird der Triumphwagen, auf dem er caesarenhaft mit Lorbeer bekränzt und mit imperial entblößter Brust steht, nicht nur von den Vertretern des Nationaltheaters (Wagnersänger und Ballerina) und der Schulen (einem Egghead, wie Mazura ihn nennt) gezogen, sondern auch denen des Sports, einem Crack der Adler und allen voran dem damaligen Coach des Mannheimer Fußballclubs SV Waldhof, Klaus Schlappner, in Mannheim kurz Schlappi genannt. Die sportlichen Leistungen stehen auch im Blick auf Hans Bichelmeier im Vordergrund, die Anspielung auf seine Funktion als Steuermann der Ruderer im deutschen Achter, der 1953, 54 und 55 jeweils die deutsche Meisterschaft gewann, oder seine Arbeit als Trainer des erfolgreichen Ruderers Jochen Meißner. Zugleich baut Mazura auch eine Brücke in die Gegenwart, spricht im Sockel des Siegerpodestes das aktuelle Engagement des Jubilars an, zu dessen 70sten Geburtstag das Blatt entstand, seinen Einsatz für die Olympiabewerbung Stuttgarts für 2012, die mit der Partnerschaft der Stadt Mannheim als Austragungsort der Reitwettbewerbe verbunden war. Auch auf Bichelmeiers jahrzehntelanges außerordentliches Wirken für die Kunstszene der Stadt verweist der Text. Der „Kugelblitz“ wird er mit Respekt für seine erfolgreichen Aktivitäten und seinen Einsatz für die Belange der Stadt Mannheim nicht nur hinter vorgehaltener Hand genannt.

Immer wieder sind es auch zum Teil vieldeutige Verweise auf die Profession der Dargestellten. Im Schnittpunkt von Bühne und Privatem erscheint Jean Cox mit einem Fafner, der in Anspielung auf Cox´s Hund Clyde an einem Halsband mit dessen Namen geführt wird. Als Siegfried, seine viele hundert Mal in Mannheim und in aller Welt gesungene Starrolle, tritt er dem Betrachter entgegen. Den linken Fuß hat er auf einen Stapel mit Partituren von Wagneropern gestellt. Doppeldeutig ist die Geste: ein Zeichen für Cox´ Beherrschung der Rolle und der Partitur ebenso wie dafür, dass das Werk des Komponisten zugleich als die Basis seines internationalen Erfolges zu bewerten ist. Analog zu diesem Gedanken auch der Text: Siegfried Cox hat Richard Wagner in Anspielung auf das berühmte Waldvöglein aus dem 2. Akt „Siegfrieds“ mit Heldengeste aufgespießt. „Oh Du undankbares, arges Kind! Nicht bin ich Vater noch Vetter Dir und dennoch verdankst Du mir Dich“ `trällert´ ihm das auf dem Schwert aufgespießte Wagnerwaldvögelein Mimes Klage an Siegfried zu. Als ein durchaus nachdenklich doppeldeutiger Zeichner gibt Franz Mazura sich da zu erkennen. Aber er spielt dieses Spiel auch heiter ironisch, wenn Wotan dem Zahnarzt Horst Lambrecht für die Positionierung des Zahnersatzes zuruft: „Lambrecht hie-her! Wei-se der Brücke den Weg.“

Immer wieder greift der Zeichner auch einfache Wortspielereien mit dem Namen des Dargestellten auf, der Kapellmeister Karl Fischer dirigiert auf einer Schwanzflosse stehend und Hans Rössling wird mit seiner Pfeife als Springerfigur auf dem Schachbrett positioniert.

Gestalterisch sind die Karikaturen von einer klaren Polarität bestimmt: das sorgfältig erarbeitete Porträt, das auf eine eindeutige Identifikation und auf Authentizität des Dargestellten zielt auf der einen Seite und auf der anderen die satirisch karikierende Erzählung, die die bildnerischen Momente vereinfachend umformt, begleitet von verbalen Kommentaren, die das Ganze zur Pointe führen.

Die Linie dominiert bei der Wiedergabe der Gesichtszüge. Eine klare Kontur umfasst die Gesichts- und Kopfform in Frontalansicht oder im strengen oder verlorenen Profil. Augen, Nase und Mund sind durch auf das grafische Mittel, die Linie, konzentrierte Spuren ausgeprägt, ergänzt nur dort, wo es sich um prägnante Elemente handelt, einen Bart, eine Brille. Nur selten wird durch Schattierungen modelliert wie bei Karl Fischer oder bei Alfred Bernauer. Die Linie genügt zur Präzisierung der Physiognomie, bei der Mazura auf porträtartige Genauigkeit zielt. Es ist der Schauspieler, der sich der Gewichtigkeit dieses Momentes der Authentizität der Persönlichkeit bewusst ist. Vielleicht ist es auch der Respekt vor dem Gegenüber als ganz individueller Erscheinung, die diese Sorgfalt bei der Gestaltung der Gesichter leitet.

Witz und Satire erschließen sich aus dem erzählerischen Umfeld. Der Körper schrumpft zum bloßen Träger von Bekleidung oder einer Kostümierung und von Gesten, die es zu deuten gilt. Klaus Wendt im Federkleid des Vogelhändlers oder Hans Korte im Outfit eines Gärtners. Der Bildtext erklärt: „Er war mein Gärtner (Mozart, Le Nozze di Figaro) in Kassel“. Mit dem einen Bein im Schlittschuh auf dem Eis und mit dem anderen einen Fußball jonglierend, in der rechten Hand den Tennisschläger und in der linken einen Zettel mit einem „Bin gleich zurück“ wird der Berchtesgadener Hals-Nasen-Ohrenarzt Peter Heck vorgestellt.

Die Schrift, die die Deutung leitet, ist nicht einfach gestalterischer Zusatz, sondern kompositorischer Bestand der Bildanlage. Am deutlichsten wird das dort, wo sie der Zeichner-Sänger als Liedzeile in die Bildanlage hineinkomponiert, meist als Band, das die Gestalt übergreift. Beim Blatt für Gerda Liebold wird der Text noch einmal in besonderer Form zum gestalterischen Mittel, wenn Mazura um die Bildszene einen Rahmen legt, der sich aus der Reihung einer Umformulierung des Namens ergibt: „Aber LIEB nicht OLD“.

„Zapp, zapp, zapp …“ mit der Fernbedienung durch diverse Programme, zugleich das Kreuzworträtsel auf den Knien, die Partitur neben sich und einen Stapel Bücher dazu, eine noch im Knoten gebundene Krawatte schaut darunter hervor und ein Unterhemd, ein Socken hängt über dem Bettrand, ein Apfelbutzen mitten drin, überhaupt nicht gerade im feinen Dress wird der Sänger und Zeichner Franz Mazura auf seinem Bett liegend selbst zum Gegenstand der Darstellung auf einem Blatt seiner Tochter, Susanna Mazura. Die formale Analogie wird deutlich: die Treffsicherheit des Porträts und das detailfreudig erzählende Umfeld. Aber nicht nur das. So spitz Tochter Susanna ihren „Vadda und sei Chaos“ in dieser Zeichnung auch beobachtet, so wenig verletzend wirkt die Karikatur, und so deutlich ist sie auch von einer Atmosphäre bestimmt, die die liebevolle Zuneigung zum Dargestellten bezeugt. Auch das kennzeichnet die Zeichnungen des Franz Mazura, seine Zuneigung zu den Menschen, denn er hat sich wohl auch einen Grundsatz seines so viele Male überzeugend auf den Bühnen der Welt zur Darstellung gebrachten Göttervaters Wotan zu eigen gemacht: „Alles ist nach seiner Art – An ihr wirst Du nichts ändern.“

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