Schattenkörper

Leseprobe

Prolog

Grau war der Himmel über dem Land. Verhangen durch schwere, triefende Regenwolken. Kalt die Luft und schneidend der Wind. Ungewöhnlich für den August, selbst hier oben im Norden.

Auf dem Friedhof dampften die immer noch sommerwarmen Wiesen unter dem prasselnden Regen. Die Prozession aus Regenschirmen setzte ihren Weg scheinbar trotzig durch dieses Unwetter fort.

Wie an einer Schnur gezogen, folgten sie den vier Männern und dem kleinen Sarg auf deren Schultern über die Kieswege. Das kleine Kunstwerk aus Holz hätten bequem auch nur zwei der starken schweigenden Hünen tragen können.

Langsam kam der Tross zum Stehen.

Familie und Freunde, kauerten unter dem Dach aus dunklen Regenschirmen.

Der Pfarrer wurde von einem Herrn mit feierlicher Miene unter dessen ausladenden Schirm an die Stirnseite des Grabes geleitet.

Die Blumenkränze waren bereits recht und links des dunklen Erdschachts aufgebaut.

Die Friedhofsangestellten hatten sich noch mehr als üblich beeilt und sich dann schnellstens in den Hintergrund zurückgezogen. Der Einfluss dieser Familie reichte weit, selbst bis in die letzten Winkel des Gemeindefriedhofs.

Dennoch- am Ende waren im Tode und in der Trauer alle Menschen gleich.

Als der kleine Sarg langsam in der Erde verschwand, waren die Familie, der Pfarrer und die Friedhofsangestellten geeint in ihrem Ausdruck des Schmerzes.

Warum auch nicht? Jeder hier in dieser Gegend hatte Anabelle geliebt.

Wer konnte es da schon ertragen dieses junge, fröhliche Mädchen nun in die kalte und einsame Erde zu entlassen?

Der Gedanke an das lange, blonde Haar, von der Sommersonne ausgebleicht; an die Sommersprossen in dem Gesicht des Mädchens, deren Anzahl potentiell mit der Länge des jeweiligen Sommers zu steigen schien; und das fröhliche, laute Lachen Anabelles, das den letzten Winkel der Stallungen zu erhellen vermochte, war den Trauernden gerade in diesem Moment spürbar unerträglich.

Nichts war ihnen geblieben, als die bloße Erinnerung. Haut und Haar des Kindes waren nun stumpf und fahl. Das Lachen auf ewig verstummt.

Nun zog der Regen noch einmal an und prasselte scheinbar mit Nachdruck vehement auf das Dach aus Regenschirmen.

Die meisten Gesichter darunter hatten ohnehin aufgegeben sich gegen jedwede Nässe zu wehren. Nur einige wenige Ausnahmen schienen den Kampf noch nicht aufgeben zu wollen. Stur und unnachgiebig starrten diese Augenpaare ins Nichts, die Gedanken und Gefühle tief verborgen.

 

Am späten Nachmittag hatten Regen und Wind nachgelassen. Es lag nur noch ein leichtes Nieseln über dem Friedhof. Regentropfen hingen zart wie Perlen an jedem Halm der Wiesen und bildeten scheinbar ein gläsernes Netz. Von den Blättern der Bäume und Büsche kullerten jene Glasperlen dann und wann zu Boden.

Die einsame Gestalt am frischen Grab hatte dennoch den Regenschirm aufgespannt.

Der Blick des Mannes glitt von dem frisch aufgeworfenen Erdhügel hinauf zu dem triefnassen Blumenmeer und den, vom Wetter, verwüsteten Schleifen an den Kränzen.

„Ein letzter Gruß“; „In ewiger Liebe verbunden, über den Tod hinaus. Mami, Papi und Sofia“; „In tiefer Liebe. Deine Familie“. Dieser Kranz war besonders groß und üppig bestückt. Beinahe schon absurd. Es würgte ihn bei diesem Anblick.

„Lebe wohl, kleine Anabelle. Wo immer deine Seele nun sein mag. Niemals wieder soll dir solches Leid widerfahren!“ Leise und bedächtig murmelte er diese Worte.

Dennoch wurden sie gehört. Es hatte noch eine weitere Person hinaus auf den Friedhof gezogen. Verborgen hinter der nahen Linde, beobachtete ein funkelndes Augenpaar jede seiner Regungen argwöhnisch.

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